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Winterspaß für Generationen mit dem Davoser Schlitten

Winterspaß für Generationen mit dem Davoser Schlitten

Winterspaß für Generationen mit dem Davoser Schlitten

« Ein Schweizer Original auf Kufen »

7 Kilo Eigengewicht, 100 cm Sitzfläche, 150 Jahre Geschichte, 1000 Arbeitsschritte, über 75.000 Einträge bei Google. Was sich anhört, wie eine zufällige Aufzählung unzusammenhängender Einheiten, ist in Wahrheit die Kurzbeschreibung einer Ikone. Es handelt sich um keinen Geringeren als den Klassiker unter den Wintersportgeräten, den Davoser Schlitten, der nach langer Abwesenheit nun endlich wieder in seine Schweizer Heimat zurückgekehrt ist.

Der Ur-Schlitten schlechthin

Wer schon einmal geschlittelt ist, hat ihn vermutlich bereits benutzt. Der Davoser Schlitten ist der meistverbreitete Schlittentyp der Welt und in Design und Machart bis heute unverändert. Senkrecht stehende, mit Eisen beschlagene Kufen werden zusammengehalten vom sogenannten Zugeisen und einer stabilen Unterkonstruktion aus zwei bis drei Holmen. Auch diese Holzstreben sind beim Original mit eisernen Verstärkungen versehen, um die Stabilität zu erhöhen. Darüber bieten fünf Sitzlatten genug Platz für zwei Personen. Wie der ganze Schlitten ist die Sitzfläche aus massivem Eschenholz gefertigt und damit robust bis in die letzten Zentimeter. Der Klassiker unter den Schlittentypen ist vielleicht nicht das schnellste, aber mit Sicherheit das widerstandsfähigste Wintersportgerät seiner Art. Augenzwinkernde Bezeichnungen wie „Familienkutsche“ oder „Harley Davidson für den Schnee“ tun seiner Beliebtheit keinen Abbruch – im Gegenteil. Der Traditionsschlitten feiert sein Comeback und ist nach langer Zeit nun wieder als Schweizer Original erhältlich.

Davoser Schlitten | Schweiz

Wer hat´s erfunden

Überraschenderweise lautet die Antwort darauf nicht „die Schweizer“, wie man vielleicht annehmen könnte. Der Davoser Schlitten beruht in seiner Grundform auf einem norwegischen Schlittentyp, der in weiterentwickelter Form jedoch erst in der Schweiz seinen Durchbruch feierte. Beim ersten offiziellen Schlittenrennen der Welt, das 1883 in Davos stattfand, kam dieser Holzschlitten zum Einsatz und trägt seitdem den Namen „Davoser“. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Modellbezeichnung, sondern um einen Bautyp. Das erklärt, warum ein Davoser Schlitten nicht zwangsläufig aus der Schweiz kommt, sondern beispielsweise auch aus dem Allgäu stammen kann. Sein äußeres Erscheinungsbild ist dennoch dasselbe. Im Unterschied zur Rodel stehen die Kufen bei dieser Schlittenart kerzengerade. Er ist außerdem höher, man sitzt aufrecht auf einem Davoser und lenkt ihn mit den Füßen.

Schlittenfahrt in traumhafter Winterlandschaft

Die Weiterentwicklung des norwegischen Vorgängermodells besteht in der Ergänzung der Holzkonstruktion durch Eisenbeschläge und in der Anbringung des charakteristischen Zugeisens. An dieser Querverbindung zwischen den Kufen ist üblicherweise der Ziehgurt befestigt. Mit diesen charakteristischen Erkennungsmerkmalen ging der Flitzer in die Wintersport Historie ein und wurde trotz seiner norwegischen Wurzeln zu einem Schweizer Original. Auch durch die englische Bezeichnung „Swiss ordinary“ geriet die ursprüngliche Herkunft des Schlittentyps mehr und mehr in Vergessenheit und mittlerweile ist er als echter Schweizer Schlitten etabliert.

Handwerkskunst versus Industrieprodukt

Als die Geschichte des Davoser Schlittens mit dem historischen Rennen 1883 ihren Anfang nahm, stand der Name für handgemachte Qualität. Der Schlitten als Sportgerät befand sich damals noch in den Kinderschuhen, war er doch bisher ausschließlich zum Lastentransport eingesetzt worden. Nachdem Touristen die Holzschlitten jedoch verwendeten, um damit die verschneiten Hänge der Schweiz hinab zu jagen, entwickelte sich der Wintersport als zweites Standbein der Gerätschaften. Die zunehmende Beliebtheit von Holzschlitten führte dazu, dass der Davoser Schlitten von vielen Betrieben in der Schweiz hergestellt werden musste, um die stetig wachsende Nachfrage zu bedienen. Ein originales Exemplar bestand damals wie heute komplett aus massivem Eschenholz und wurde ausschließlich gesteckt und verschraubt. Leim kam bei keinem der insgesamt 1000 Arbeitsschritte zum Einsatz.

Davoser Schlitten | Allgäu  Davoser Schlitten | im Allgäu gefertigt

Als die Patente für die Herstellung des Davosers ausliefen, stürzte sich die europäische Industrie auf die Schlittenproduktion nach Schweizer Vorbild. Das Ergebnis war eine weite Streuung des Modelltyps einerseits und eine zunehmend billigere Machart andererseits. Anstatt der zäh-elastischen Esche wurde preiswertes Buchenholz verwendet, Verbindungen wurden geleimt statt geschraubt, mangelnder Abschliff der Einzelteile sorgte mitunter für Splitter-Bildung beim Fahren und um die Poren zu versiegeln, benutzte man Lack anstatt Öl. So begann die unantastbare Qualität des Originals mit den Jahren ihren Nimbus einzubüßen. Da die Handwerksbetriebe aus dem Mutterland des Klassikers mit den massenhaft hergestellten Varianten preislich nicht gleichziehen konnten, stellten Tischlereien die Produktion schrittweise ein. Somit war der Modelltyp ab den Sechziger Jahren nahezu nur mehr aus industrieller Herstellung erhältlich. Das war nicht zuletzt den Schweizern ein Dorn im Auge und führte schließlich zum Umdenken im Heimatland des Traditionsschlittens.

Original Rodel aus dem Jahre 1870   Original Rodel aus dem Jahre 1870

Die Ikone kehrt zurück

Der Trend der letzten Jahre, Traditionen wieder aufleben zu lassen, hat schon so manch vergessenen Schatz wieder in die Gegenwart geholt. Der Davoser Schlitten war zwar nie wirklich von der Bildfläche verschwunden, seine Herkunft entsprach allerdings schon lange nicht mehr dem, was der Name eigentlich verspricht. Auch die Qualitätsstandards hatten nichts mehr mit der einstigen Marke gemein. Einige ambitionierte Tischlermeister aus der Region beschlossen daher, die Erinnerung an dieses authentische Stück Schweizer Handwerkskunst wachzurufen und stießen damit auf breiten Zuspruch in der Bevölkerung. Sogar ein Crowdfunding-Projekt, das darauf ausgerichtet war, vorerst nur eine Handvoll Exemplare zu finanzieren, überraschte die Organisatoren mit unerwartet hoher Beteiligung.

Mittlerweile steht der traditionelle Holzschlitten wieder in seiner gewohnten Qualität auf eigenen Beinen, oder besser gesagt auf stabilen Kufen. Ähnlich wie ein Schmuckstück oder ein geliebtes Möbel, das innerhalb der Familie weitergegeben wird, erwirbt man den Klassiker auf Dauer und mit dem Langzeitversprechen, dass Schweizer Qualität die Generationen überdauert.

Wunderschöner Davoser Schlitten im Allgäu gefertigt     Wunderschöner Davoser Schlitten von Hand gefertigt

Spaß für die ganze Familie

Der Schweizer Schlitten zählt zu den gemütlichen Schnee-Fahrzeugen unter den Rodeln und ist gerade deshalb als Hobbygerät ideal. Er gleitet stabil durch den Schnee und ist mit frisch geschliffenen Kufen ein durchaus flotter Untersatz. Bei einer dünnen Schneeschicht kann das Schlittenvergnügen zwar im wahrsten Sinn ein wenig eingebremst werden, da das Gefährt aufgrund der gleichmäßigen Gewichtsverteilung leicht aufsitzt. Allerdings sorgt genau diese ausgewogene Lastenverteilung für Stabilität und macht den Davoser zu einem zuverlässigen Familienschlitten. Mit dem richtigen Zubehör können auch schon die Kleinsten am Schneevergnügen teilnehmen. Hierzu bringt man einfach man eine gebogene Kinderlehne am Ende der Sitzfläche an. Durch vier massive Hakenschrauben kann die Lehne leicht montiert und auch wieder rückstandslos entfernt werden.

Davoser Schlitten Kinderlehne massiv Holz von Sirch

Gelenkt wird der Davoser Schlitten mit den Füßen. Das Prinzip ist denkbar einfach: Soll der Schlitten eine Linkskurve machen, drückt man den linken Fuß parallel zur Kufe in den Schnee, bei der rechten Seite natürlich andersherum. Zum Bremsen werden beide Fersen in den Boden gestemmt und das Gewicht nach hinten verlagert. Wird das Gefährt von zwei Personen genutzt, können auch beide zusammen lenken. Allerdings sollte klar sein, wer das Kommando gibt, damit man nicht ins Schlingern gerät.

2 Kinder auf Schlitten

Schlittenfahren hat eine lange Tradition und ist allen Wintersport-Neuheiten zum Trotz immer noch eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Dass es ein Engländer war, der 1883 den ersten internationalen Schlittenclub mit dem Titel „Davos Toboggan Club“ gegründet hat, zeigt überdies, dass es schon damals als durchaus salonfähig galt, mit einem Davoser Schlitten einen verschneiten Hang hinab zu sausen.


Bildquellen:
Beitragsbild: © luckybusiness – stock.adobe.com
Mutter mit Kind auf Schlitten: © Animaflora PicsStock – stock.adobe.com
2 Kinder auf Schlitten: © famveldman – stock.adobe.com